23.5.2014, Freitag

Veröffentlicht auf von Marie

Und wieder ein Tag, an dem nichts richtig rund läuft. Die schmerzenden Halswirbel haben mich kaum schlafen lassen. Wie gerädert quäle ich mich aus dem Bett. Manuelle Therapie habe ich zur Frühstücks-Zeit: gerne verkürze ich das Essen auf 10 Minuten, denn von der Manuellen Therapie möchte ich nicht eine Sekunde verpassen. Nach einer halben Stunde kann ich meinen Kopf zumindest geringfügig wieder bewegen. Danach geht es gleich zur Abschlussuntersuchung. Der übellaunige Oberarzt hat offensichtlich keinerlei Interesse, sich mit mir eingehender zu befassen. Zügig erledigt er den Schriftkram, untersucht nur sehr oberflächlich mein Knie und will mich schnell wieder loswerden. „Sie wollen ja sowieso hier nicht verlängern.“ Anscheinend lohne ich den Aufwand nicht. Routiniert rasselt er die Liste meiner Medikamente runter und fragt, ob das so richtig sei.

„Ja. Und bei Bedarf kommt noch ein Single Malt dazu.“

Auf einmal hat er Zeit und fragt interessiert, welche Sorte ich bevorzuge, und – ah! - die kenne er auch. Dieses Getränk helfe wirklich – nur weiter so, das sei eine zweifellos sinnvolle Unterstützung!

Schnell geht es weiter zur MBOR-Abschlussrunde. Sehr differenziert und moderat äußern wir uns zu den Ereignissen – oder eher den Nicht-Ereignissen - der letzten Wochen. Meine spontane Äußerung, ich hätte viel Spaß gehabt, wird mit leichtem Erbleichen registriert. Da scheint mich jemand, trotz der nur kurzen Begegnungen, gut einzuschätzen. Es wird alles notiert und zugesagt, dass unsere Äußerungen ernst genommen werden. Das Ganze ist wohl derzeit noch ein „work in progress“. Work für uns – progress für die Nächsten. Immerhin. Fazit: man bemüht sich. Zumindest das kann ich uneingeschränkt bestätigen.

Die Zeit vor der Mittagspause möchte ich nutzen, um ein wenig auf der Detensor-Liege zu entspannen. Eigentlich ist mein Termin erst später am Tag, leider zur Abendessenszeit, aber bislang hat es auch so immer geklappt. Ich bin dort wieder einmal allein. Nach einer Weile kommt eine etwas hilflos suchende Dame, die die Einweisungs-Gruppe für die Detensor-Liegen sucht, die eigentlich schon seit einigen Minuten laufen sollte. Ich kann ihr leider nicht helfen. Fünf Minuten später platzt die entsprechende Therapeutin herein und motzt mich grußlos an, was ich hier zu suchen habe. Ganz entspannt entgegne ich, dass ich einen zeitlichen Freiraum hier zur sinnvollen Entspannung nutzen möchte. Das gehe nicht, ich hätte mich an die mir zugeteilten Zeiten zu halten, und mein Verhalten sei ja ganz unmöglich. Noch immer reagiere ich entspannt – ja, ich wisse das, aber es tue so gut, deshalb käme ich auch bisweilen außer der Reihe. Die zwei Damen, die ihre Einweisung haben, staunen ebenso wie ich über den Tonfall der Dame, welcher für ein so zartes Menschlein überraschend aggressiv ist. Da es vier Liegen sind, aber nur zwei Einweisungen, wage ich zu sagen, es störe mich nicht, wenn geredet würde. „Ich kann so nicht arbeiten“, ist die völlig hysterische Antwort. Wie wir es gelernt haben, rolle ich mich sanft zur Seite zur Schonung der gedehnten Wirbel. „Ich gehe ja schon.“ „Sofort!“ werde ich angekeift. So springe ich auf – o je, die Wirbel knacken – und kann mir nicht verkneifen, von meiner vergleichsweise imposanten Körperhöhe hinab mit leiser Stimme darauf hinzuweisen, dass die Dame doch bitteschön dringend die dreckigen Bezüge auswechseln möge. Ich gebe zu: das war nicht nett, tat aber gut. Und eines ist mir dabei aufgefallen: das war wirklich das erste Mal hier, dass jemand dermaßen unfreundlich war.

Mittags gibt es einen kleinen Salat mit wässrigem Grün und geschmacksneutralen Tomaten. Sonst nichts. Gut versorgt mit Leckereien aus der eigenen Küche, pardon: dem eigenen Schrank, gehe ich in die Mucki-Bude. Draußen regnet es in Strömen. Ich genieße einmal mehr Nettigkeit und Kompetenz, muss aber vorzeitig abbrechen, weil der nächste Termin auf meinem Plan steht: die Schmerz-Gruppe. Heute wird es konkreter, was mich ja immer freut. Wir bekommen bei diesem letzten Treffen in dieser Gruppe auch noch schriftliches Material in die Hand gedrückt. Und weil wir ohnehin alle in lustiger Freitagsstimmung sind, fragen wir auch gleich nach den Ergebnissen des Persönlichkeitstests – einer von vielen, vielen Test, die wir schriftlich erledigen mussten. Landet das im Papierkorb? Oder verstaubt das auf Nimmerwiedersehen in irgendwelchen Aktenordnern? Oh nein! Für jeden einzelnen gibt es eine detaillierte Auswertung, die Teil des Abschlussberichtes sein wird. Jetzt wollen wir es genau wissen und fordern Fakten. Die Psychologin nimmt sich trotz des Freitagnachmittags Zeit. Wir werden mit den vier Persönlichkeitsstrukturen vertraut gemacht und erfahren unsere Zuordnung, die natürlich nur eine Momentaufnahme sein kann. Einiges ist echt überraschend – andererseits auch wieder nicht. Dass ich perfektionistisch bin, zu viel arbeite und zu wenig entspanne, ist nicht neu. Aber das in Form einer eindrucksvollen Kurve mit merkwürdigen Ecken und Kanten schwarz auf weiß zu sehen, ist schon etwas anderes, zumal im Vergleich mit „gesünderen“ Kurven. Dass das überhaupt geht und dann noch so locker, hängt natürlich mit unserer Gruppe zusammen; wir mögen uns, vertrauen uns und trinken auch mal abends einen gepflegten „Vitamin-Saft“ außerhalb des Hauses. Dass hinter den Kulissen doch wohl ein ganzes Team sich mit uns und unseren Befindlichkeiten beschäftigt, ist sicher gut. Umso bedauerlicher, dass nichts, aber auch rein gar nichts dieser Erkenntnisse in unsere Behandlung einfließt.

Und plötzlich überkommt mich ein Gefühl tiefer Mutlosigkeit. Wozu das Ganze hier? Wozu auf die Gegenwart des liebenden Ehemannes verzichten? Warum immer wieder nörgeln und betteln und nachfragen? Den Kampf gegen die Windmühlenflügel hier habe ich verloren.

Veröffentlicht in Traurigkeit

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